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Sydney ungeschminkt

Sydney ist eine überaus schöne und lebenswerte Stadt – zumindest auf den ersten Blick. Aber der Schein trügt, wie man so sagt. Alles hat halt seine zwei Seiten. Lebt man hier mal eine Weile, kommt man nämlich bald dahinter, was Sydney unter dem ganzen Make-Up von Glanz, Meer, Sonne und wundervoller geographischer Lage versteckt. Sind wir doch mal ehrlich: Was bleibt eigentlich übrig von dieser Stadt ohne die Harbour Bridge und das Opera House?

An manchen Tagen, da hasse ich Sydney aus tiefster Seele. Die vielen narzisstischen Menschen, die denken sie seien was besseres, zwar immer gastfreundlich, aber nie einen Außenstehenden in den inneren Kreis einladen, der Verkehr, Stau, Stau, Stau, jeden Morgen, jeden Abend, ja sogar Samstag Nacht, weil hunderttausende Menschen um jeden Preis das Wochenende in der City verbringen wollen, die schlechte Infrastruktur und öffentlichen Verkehrsmittel, die eher an die dritte Welt erinnern als an das »moderne Australien«, das hier so hoch gelobt wird und dann die Preise, alles ist teuer, teuer, teuer, der übersättigte Wohnungsmarkt, wo so viel schlechte Qualität im Umlauf ist und man zahlt einfach ein Schweine-Geld dafür.

Angst vor Immigration
Letzte Woche war ein interessanter Artikel in der Zeitung, über die Gründe warum man in Sydney Angst vor der Immigration hat. Innerhalb der letzten drei Jahre ist die Gesellschaft Australiens um knapp 1,7 Mio. Einwohner gewachsen, das ist ein durchschnittlicher Zuwachs von 2,3% pro Jahr. Und da 90% der Menschen hier in Städten leben, ergibt sich daraus ein echtes Problem. Es wird also eng. Und noch enger. Die Gesellschaft wächst durch die hohe Zahl der Einwanderer so schnell, dass der Wohnungsmarkt nicht mehr nachkommt – in vielen Teilen Sydneys beträgt der Prozentsatz an freistehenden Immobilien zur Miete weniger als 1%, die Zahl der durchschnittlichen Bewerber liegt bei 30 Personen. Auch Straßen, Parkmöglichkeiten und öffentliche Verkehrsmittel sind zum größten Teil überlastet, unterentwickelt und überteuert. Den Zahlen zu Folge müsste man in Australien eigentlich alle paar Jahre eine neue Stadt bauen, um diesem Fluss an Migration standhalten zu können. Tut man aber nicht, ja man schafft es nicht einmal, in einer so genannten »Weltstadt« wie Sydney, der ständig wachsenden Nachfrage nachzukommen.

Träume vom Auswandern
Ein Australier der hier aufgewachsen ist, hat sich mir gegenüber folgendermaßen zu diesem Thema geäußert. Er meinte, Sydney würde sich zwar sehr einladend präsentieren, sei in Wirklichkeit aber eine äußerst brutale Stadt. So sehr man auch versucht und versucht, man wird nie seine Träume erfüllen können, so lange man hier lebt. Man strebt ständig danach, sich selber verwirklichen zu können, aber die Stadt lässt einen nicht, sie gibt einem gerade so viel, dass man überleben kann und noch weiterhin wagt zu hoffen.

Dann hat er mit einem Lächeln angefügt, wie schön es doch wäre, irgendwo in Europa in einer idyllischen Berglandschaft fernab einer Stadt wie Sydney zu leben. Das wäre doch der Traum von jedem, der endlich hier raus will. Da musste ich schmunzeln. Stimmt, diese Option habe ich glücklicherweise noch und kann sie auch jederzeit ergreifen, bevor mich diese Stadt zu verschlucken droht.

No worries!

FOTO: NADDSY (FLICKR)

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