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Anzac Biscuits

Was macht man, wenn man an einem verregneten Sonntag in Österreich sitzt? Man träumt vom schönen Wetter in Australien. Und da morgen einer der wichtigsten Feiertage im australischen Jahr ist – der Anzac Day – habe ich heute Anzac Biscuits gebacken, die traditionell um diese Jahreszeit gegessen werden. Das Rezept dazu stammt aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Die Legende besagt, dass die Kekse den Soldaten als Notration mit auf den Weg nach Europa gegeben wurden. Da sie weder gekühlt werden müssen, noch schnell verderben und einen hohen Energiegehalt haben, waren sie ideal dafür. Fakt ist jedoch, dass die sogenannten Anzac Biscuits wie wir sie heute kennen, es nicht bis an die Front geschafft haben, sondern hauptsächlich in Australien und Neuseeland gebacken wurden, um Spendengelder für den Krieg zu sammeln. Die Kekse, die die Soldaten tatsächlich mit auf den Weg bekamen, wurden »Anzac Tile« genannt. Anzac steht für Australian and New Zealand Army Corps und dass der Keks als tile bezeichnet wurde, hängt vielleicht damit zusammen, dass er steinhart war und sich so mancher daran die Zähne ausbiss. Das moderne Rezept der Anzac Biscuits wie wir sie heute kennen, gibt es hier:

Anzac Biscuits (12 Cookies)

150 g Haferflocken
100 g Kokosflocken
200 g Mehl
130 g Brauner Zucker
180 g Butter
4 EL Golden Syrup (alternativ kann z.B. Honig verwendet werden)
1 1/2 TL Backpulver

1. Ofen auf 160°C Heißluft vorheizen und ein Backblech mit Backpapier belegen.
2. Haferflocken, Kokosflocken, Mehl, Zucker und Backpulver in einer Schüssel mischen.
3. Butter, Honig und 120 ml kaltes Wasser in einem Topf bei mittlerer Stufe unter ständigem Rühren erhitzen, bis die Butter geschmolzen ist.
4. Alles miteinander vermischen und aus der Masse 12 kleine Kugeln formen und diese mit 10 cm Abstand zueinander auf dem Backblech verteilen (sechs Kekse passen auf ein Backblech). Die Kugeln mit der Hand flach drücken, bis sie noch ca. 1 cm dick sind.
5. Die Kekse nun 15–20 Minuten im Ofen backen, rausnehmen und abkühlen lassen. Wer weiche Kekse bevorzugt, verkürzt die Zeit im Ofen, wer sie lieber hart mag, lässt sie etwas länger drinnen.

Wer ganz traditionell sein will, der macht sich dazu einen gunfire coffee – ein schwarzer Kaffee mit einem Schuss Rum – der ebenfalls gern von den australischen und neuseeländischen Soldaten im Ersten Weltkrieg getrunken wurde.

Gutes Gelingen und no worries!

FOTO: NINA FISCHER
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Eingestellt von : Nina Fischer
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Der australische Traum

Oder: Über das Heimkehren. Es gibt sehr viele schöne Dinge am Leben in Australien, Dinge die ich nicht vermissen möchte. Surfen und Strandkultur, die Nähe zur Natur und Tierwelt, die kulinarischen Abenteuer, der gute Kaffee, die Freundlichkeit der Menschen, die vielen Sonnentage und die wunderschöne Stadt Sydney. Aber dann gibt es auch die andere Seite, die mich selbst nach vier Jahren immer wieder in Zweifel stürzen lässt. Kann man im Leben Erfüllung finden, wenn man mit seiner beruflichen Situation absolut unzufrieden ist? Diese Frage habe ich mir nur allzu oft gestellt und egal wie ich es drehe oder wende, es hat mich ständig das Gefühl verfolgt, irgendetwas zu verpassen. Irgendetwas versäumt zu haben. Irgendetwas nicht zu haben, das alle anderen haben.

Spätestens dann, wenn ich wieder einmal eine Nachricht von einem deutschen Grafikdesigner erhalten habe, der sich gerne seinen Traum erfüllen und nach Australien auswandern möchte, wurde ich mit der Frage konfrontiert: Wie erfüllt ist mein Leben eigentlich? Ja, es ist schön in Australien zu leben. Aber man ist auch sehr weit weg von der Familie und den Lieben daheim. Und dann ist da mein beruflicher Werdegang, der so ganz anders verlaufen ist, als ich mir das ausgemalt habe.

Ich bin mit einem Bachelor und Master in Design und ein bisschen Arbeitserfahrung nach Australien gekommen, habe hier eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung und somit auch uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und hätte gerne in Sydney in der Designbranche Fuß gefasst. D.h. in einer Agentur zu arbeiten, von anderen Leuten zu lernen, Kontakte zu knüpfen und neue Erfahrungen zu sammeln. Leider wollte dies nicht so wirklich klappen. Außer schlecht bezahlten Freelancejobs, falschen Versprechen, respektlosen Menschen und unfairen Arbeitsverhältnissen. Das frustriert auf die Dauer. Das entmutigt. Es lässt einen an sich selber zweifeln. Natürlich gab es einen Plan B, ich habe mich selbstständig gemacht, nebenbei auch mal in einem Café gejobbt, auf einer Pferdefarm gearbeitet und als Surflehrer für Kinder ausgeholfen. Das waren alles sehr positive Erfahrungen, bei denen ich mit lieben Menschen zu tun hatte und die mir keiner mehr nehmen kann, ändern aber nichts an dem Gefühl, irgendwie von mir selber enttäuscht zu sein. Ich habe es schlicht und einfach nicht geschafft in Sydney.

Das erinnert mich an eine Geschichte, die mir mal jemand erzählt hat und diese geht so: Es war einmal ein Mann, der die Idee hatte, in Australien einen Keksladen zu eröffnen. Das lief unerwarteterweise so gut, dass er sein Geschäft immer weiter ausbaute und neue Läden im ganzen Land aufmachte. Als seine Frau nach Amerika auswandern wollte, dachte er sich, was hier funktioniert hat, funktioniert dort sicher auch. Er muss zwar nochmals von vorne anfangen, wird aber seinen Keksladen einfach wieder aufbauen. Sie wanderten also nach Amerika aus. Der Mann ging alles genau gleich an, wie er dies in Australien getan hatte, dachte sich, so anders ist die Kultur ja nicht, da kann nicht viel schief gehen. Aber was er auch versuchte, es wollte einfach nicht klappen. Niemand schien zu erkennen, wie gut seine Kekse waren. Niemand schien sich so wirklich dafür zu interessieren. Und viele Male fragte er sich, wieso klappt es bloß nicht? Lag es an ihm? Ging er die Sache falsch an? Oder hatte es gar nichts mit ihm zu tun, ticken die Amerikaner vielleicht einfach anders?

Aller Anfang ist schwer und so hat auch das Heimkehren seine Tücken. Ich vermisse so viele Dinge aus Australien. Aber ich habe einen guten Job hier, der mir Freude macht, bei dem ich täglich von netten Menschen umgeben bin und fair behandelt werde. So Leid es mir tut – und es tut mir ganz ehrlich Leid drum – Sydney war wohl einfach nicht der richtige Ort für mich. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich einige Wochen vor meiner Abreise den Coastalwalk von Bondi nach Coogee gemacht habe. Ich bin auf den Klippen gesessen, hatte den Wind im Gesicht und eine wunderschöne Aussicht vor mir liegen. Und ich habe mir gedacht, ich will das alles nicht aufgeben. Aber Sydney war nicht gut zu mir. Ich habe vier Jahre lang versucht, beruflich irgendwie Fuß zu fassen und diese Stadt hat mir keine Chance gegeben. Auch wenn ich sehr gemischte Gefühle hatte, irgendwann muss man einen Schlussstrich ziehen und dieser Tag war für mich gekommen.

Ich bin mir sicher, es ergeht anderen Menschen da draußen ähnlich wie mir. Menschen, die davon träumen, sich in Australien ein tolles Leben aufzubauen und bei denen es auch nicht so wirklich klappen will. So habe ich mich in dem Bericht einer jungen Irin, die den Versuch gewagt hat nach Australien auszuwandern, ein Stück weit wiedergefunden. Sie beschreibt darin, warum sie enttäuscht vom australischen Traum ist. Und wie man so schön sagt, wenn man nicht damit zufrieden ist, wie sich sein Leben entwickelt, sollte man die Richtung ändern. Auch wenn dies bedeutet, wieder in die Heimat zurückzukehren.

Sydney, ich vermisse dich wirklich sehr, aber: Es ist besser, mit den richtigen Leuten durch den Regen zu laufen, als mit den falschen in der Sonne zu stehen.

No worries!

FOTO: CHRIS DEVERS (FLICKR)
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Eingestellt von : Nina Fischer
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Ein Herz für Tiere?

Wie viel wisst ihr über den Tierschutz in Australien, wie gut seid ihr informiert? Ich höre immer wieder von anderen Auswanderern, die entsetzt über manche Praktiken sind, die in Australien toleriert werden. Skandale im Bereich Tierschutz umfassen unter anderem das Leiden verstümmelter Schafe auf Australiens Wollfarmen, das gezielte Töten von Koalas (die auf der Liste der bedrohten Tierarten stehen) in überbevölkerten Regionen, die Jagd auf Haie (die unter Artenschutz stehen) in Westaustralien, die Massaker an wilden Pferden und Kamelen oder die weit verbreiteten puppy factories, in denen Hunde in Zuständen die der Massentierhaltung gleichen, am laufenden Band Welpen zur Welt bringen, die dann in Zoofachhandlungen verkauft werden. Anders als in Österreich und vielen anderen europäischen Ländern ist auch die Haltung von exotischen Wildtieren in Zirkussen und das Betreiben von Delfinarien erlaubt.

Umstrittener Tierschutzverband
Laut Statistiken des größten australischen Tierschutzverbandes RSPCA haben 40% aller Haushalte in Australien einen Hund und 29% eine Katze. Trotz der großen Beliebtheit von Haustieren wurden im Jahr 2013/14 sowohl 7.313 unvermittelbare Hunde, als auch 15.491 Katzen eingeschläfert. Hier ist es, anders als z.B. in Österreich, legal ein kerngesundes Tier einzuschläfern, wenn »es niemand haben will und kein neues Zuhause gefunden werden kann«. Dies betrifft momentan ca. 15% aller Hunde und 30% aller Katzen, die im Tierheim landen. Im Jahr 2010/11 war die Zahl der eingeschläferten Tiere noch doppelt so hoch (30% aller Hunde und 60% aller Katzen), ist jedoch aufgrund heftiger Kritik seither stetig gesunken.

Was uns die Rennindustrie lieber verheimlicht
Pferde- und Hunderennen erfreuen sich in Australien nicht nur äußerster Beliebtheit, sondern werden auch immer wieder stark kritisiert. Rennpferde, die nicht genug Potenzial zeigen oder verletzt sind, werden größtenteils ausgesondert und zu Hundefutter verarbeitet. Sie können bei Auktionen für sehr geringe Summen ersteigert werden – nur wenige haben jedoch das Glück, einen neuen Besitzer zu finden. Es gibt zwar keine offiziellen Zahlen, laut Schätzungen werden pro Jahr aber mindestens die Hälfte aller Vollblüter, die für Pferderennen gezüchtet werden, entsorgt. Dies entspricht ca. 8.000 Pferden die als »Abfallprodukt« jährlich beim Schlachter landen. Noch schlimmer sieht es bei den Hunderennen aus. Neben der umstrittenen Praxis, Greyhounds mit lebender Beute zu trainieren – normalerweise Kaninchen, Ferkeln oder Possums – kann auch das Schicksal der Hunde, die raus aus dem Renngeschäft sind, nur als hoffnungslos bezeichnet werden. 17.000 Hunde, das sind 96% aller für Hunderennen gezüchteten Greyhounds, werden pro Jahr getötet, weil sie kein Potenzial zeigen, ausgedient haben oder aufgrund ihrer antrainierten Verhaltensweisen nicht in ein normales Familienleben integriert werden können. Es gab bereits Skandale über Tierärzte, die mit dem Einschläfern von völlig gesunden jungen Hunden Profit machen und mehrere Massengräber, in denen die Gebeine von Hunden gefunden wurden – vermutlich erschossen oder zu Tode geprügelt.

Freilandhaltung – gibt es das tatsächlich?
In der australischen Eierindustrie gibt es weder nationale Standards, noch eine einheitliche Kontrollinstanz. Der Begriff free range, auf deutsch Freilandhaltung, ist nicht per Gesetz definiert und kann daher frei interpretiert werden. Nur weil also free range drauf steht, muss das noch lange nicht heißen, dass die Hühner artgerecht gehalten werden. Eine Firma kann z.B. angeben, dass ihre Eier aus Freilandhaltung stammen, muss jedoch nur die eigens auferlegten Standards beachten. Dies kann mitunter heißen, dass statt der gängigen Praxis, nicht mehr als 1.500 Hennen pro Hektar zu halten, 10.000 oder sogar 20.000 Hennen pro Hektar gehalten werden. Weiters sind die Firmen nicht dazu verpflichtet, Daten zu veröffentlichen. Auch das Wort organic bedeutet nicht unbedingt, dass die Eier aus ökologischer Haltung stammen, sondern kann lediglich darauf hinweisen, dass bei der Fütterung auf Zusatzstoffe verzichtet wird. Konsumententäuschung wird in der australischen Lebensmittelindustrie ziemlich offen betrieben. Skandale in den letzten Jahren haben jedoch dazu geführt, dass die Einführung nationaler Standards nun endlich diskutiert wird.

Spitzenreiter im Fleischkonsum
Australier lieben Fleisch. Laut diesem Bericht konsumierte der Durchschnittsaustralier im vergangenen Jahr 90 Kilogramm Fleisch. Damit ist Australien Spitzenreiter im Fleischkonsum und hat mittlerweile sogar die USA, die Jahre lang an erster Stelle stand, überholt. Besonders beliebt ist Hühnerfleisch, aber auch Rindfleisch wird gern gegessen und Schweinefleisch – traditionell nicht sehr beliebt bei den Australiern – ist ebenfalls auf dem Vormarsch, Tendenz steigend. Während viele Rinder in Australien ein relativ angenehmes Leben führen, einen Großteil ihres Daseins draußen verbringen und mit Gras gefüttert werden, stammt ca. 95% des Schweinefleischs und Hühnerfleischs aus industrieller Massentierhaltung. Weder für die Schweine- noch die Hühnerhaltung gibt es festgelegte nationale Standards und das Wort free range wird hier genauso irreführend und willkürlich verwendet, wie in der Eierindustrie. Wer sich weiterbilden möchte, der kann sich bei Animal Welfare Labels einen Überblick über einige im Supermarkt erhältliche Produkte verschaffen.

No worries!

FOTO: DAVID KENT (FLICKR)
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Eingestellt von : Nina Fischer
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Bogan

Habt ihr euch schon mal gefragt, was eigentlich der Begriff bogan bedeutet? Laut Oxford Dictionary bezeichnet man damit eine unmodische Person mit einfachem Charakter und niedrigem sozialen Status. Wo ich her komme, könnte man das mit »Hinterwäldler« übersetzen, die Deutschen würden vielleicht »Assis« dazu sagen. Googelt man den Begriff, wird dieser mit »Penner« übersetzt. Ein Bogan ist jedoch viel mehr als das. Die Australier machen sich gerne lustig über Bogans, wollen auf keinen Fall bogan sein, sind aber doch alle irgendwie ein bisschen bogan und geben das hin und wieder auch gerne zu – und können somit über sich selber lachen. Daher stolpert man auch immer wieder über den viel gesagten Satz »embrace your inner bogan«, was so viel bedeutet wie: Steh zu dem Bogan in dir!

Der typische Bogan ist ein schlichter, einfacher Mensch, der nicht sonderlich am Rest der Welt interessiert ist. Er achtet nicht auf seine Kleidung, Äußerlichkeiten sind ihm egal und es ist ihm auch so ziemlich wurst, was andere Leute tragen. Soll doch jeder machen, wie er will. Am liebsten hat er es gemütlich, meistens ist er mit Flip-Flops oder Ugg Boots unterwegs (oder gleich barfuß), dazu Boardshoarts oder Jogginghose, Unterhemd und eventuell noch ein Flanellhemd oben drüber. Manchmal können Bogans auch rüpelhaft sein, ja fast schon etwas ungehobelt, primitiv und unkultiviert – auch das gehört dazu. Bogans wohnen in der Vorstadt oder in ländlicher Gegend. Das Auto wird auf dem Rasen geparkt, die Garage ist normalerweise schon mit irgendwelchem Gerümpel belegt. Im Garten liegt ein kaputter Kühlschrank und eine alte Badewanne. Ist doch egal, stört ja keinen. Auch Bier und BBQ sind im Leben eines Bogans allgegenwärtige Begleiter und dürfen auf keinen Fall fehlen. Seine Freizeit verbringt der Bogan am liebsten auf der Couch und schaut Footy oder Big Brother. Dazu ein Sixpack VB (Victoria Bitter Beer). Oder er werkelt draußen an seinen Autos. In ländlichen Gegenden hat der typische Bogan mindestens zwei schrottreife Exemplare auf dem Grundstück stehen (mit einem großen Schild auf dem zu lesen steht: Not for sale). Weil der Bogan sein Land so sehr liebt, hat er sich das Southern Cross – das Symbol der australischen Flagge – tätowieren lassen. Daran erkennt man ihn eigentlich ganz leicht. Nicht zuletzt verrät er sich auch durch seine Sprache, dem distinktiven Bogan-Englisch.

Tatsächlich ist der Bogan in Australien eine solch beliebte Spezies, dass es neben unzähligen Parodien und einer Bogan App, die feststellt, wie viel bogan man in sich hat, auch eine TV-Serie gibt, in der – ihr habt es erraten – Australiens größter Bogan gesucht wird. Und für diejenigen, die sich immer noch unsicher sind, was denn nun ein Bogan ist – es gibt ein Buch, das ganz einfach erklärt, woran man einen modernen Bogan im 21. Jahrhundert erkennen kann. So entstehen auch immer wieder spannende Diskussionen in Australien: Wie viel bogan ist zu viel? Ist es okay wenn man im Pyjama in den Supermarkt einkaufen geht?

No worries!

FOTO: KATE BUNKER (FLICKR)
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Eingestellt von : Nina Fischer
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Australien: Ein besseres Leben?

Wie bereits im vergangenen Jahr und in jenem davor schaffte es Australien auch bei der OECD-Studie 2015, dem Better Life Index, auf Platz eins. Besonders gut hat Australien bei den Themen bürgerschaftliches Engagement, Gesundheit und Bildung abgeschnitten. Am unteren Ende der Liste – und im Vergleich dazu etwas aus dem Rahmen fallend – befindet sich die Work-Life-Balance. Von insgesamt 36 Ländern liegt Australien hier an 30. Stelle. Die Studie besagt, dass 14% aller Angestellten 50 oder mehr Stunden pro Woche arbeiten und die Australier nur 60% ihres Tages persönlichen Bedürfnissen (Schlafen, Essen etc.) und Freizeitaktivitäten widmen. Damit liegt Australien unter dem OECD-Durchschnitt und hinter allen europäischen Ländern.

Lebensqualität
Warum möchten so viele Deutsche unbedingt nach Australien auswandern? Neben dem guten Wetter wird oftmals als erstes die Lebensqualität genannt. Diese soll ja (angeblich) in Australien so viel besser sein. Aber was genau versteht man denn eigentlich darunter? Bezieht sich das wirklich nur auf die vielen Sonnenstunden? Die Nähe zur Natur? Den Traum vom Leben am Meer? Oder die Hoffnung, Teil einer stressfreieren Gesellschaft zu sein? Formale Themen wie Bildung, Arbeit, Sicherheit und Gesundheit sollten hier zwar ebenfalls eine Rolle spielen, werden aber nur selten als Grund genannt, um nach Australien auszuwandern. Viele Auswanderer oder jene, die es gerne noch werden wollen, sind in erster Linie an der einzigartigen Lebensqualität dieses Landes interessiert. Und ich gebe zu – in einer wunderschönen Stadt wie Sydney zu leben, in der es Strände, Natur und Freizeitangebote im Überfluss gibt – ist schon etwas ganz besonderes. Die Leute sind locker drauf, stressen tut sich hier kaum jemand und wenn, dann lässt man es sich nicht anmerken. Ist es jedoch den Preis wert, den man für diese Lebensqualität bezahlt?

(Über)leben
Sydney ist ein teures Pflaster. Klar kann man in Australien auch günstig leben, wenn man sich irgendwo auf dem Land niederlässt, diesen Traum verfolgen jedoch nicht alle. Den Großteil zieht es in die Städte und dort ist das Leben teuer. Eine Neubauwohnung in Sydneys Inner West mit 75 m² kostet schnell mal $700 Miete pro Woche (nein, ich habe mich nicht verschrieben, es ist wirklich pro Woche). Ein Zimmer in einer WG, das man sich mit einer anderen Person teilen muss, kostet so um die $180 pro Woche. Für ein Einzelzimmer wären das also $360. Der Brutto-Mindestlohn in Australien beträgt derzeit knapp $35.000 im Jahr (ca. $16,40 pro Stunde). Wieviel man in Australien durchschnittlich verdient, ist schwer zu sagen, da es hierzu unzählige Statistiken gibt und jede einen anderen Betrag nennt, sie variieren jedoch meistens zwischen $55.000 und $75.000 im Jahr. Laut einem aktuellen Bericht des Business Insider muss man in Sydney jedoch mindestens $106.000, in Melbourne $75.400 im Jahr verdienen, um sich ein Eigenheim im Mittelsegment leisten zu können. Wie gut die Australier mit ihrem Gehalt zurecht kommen, könnt ihr in diesem Bericht nachlesen.

Work-Life-Balance
Als Angestellter in Australien hat man in New South Wales nur neun Feiertage und 20 Urlaubstage im Jahr. Im Vergleich dazu genießt man in Österreich 13 Feiertage und 25 Tage Urlaub. Deutschland hat neun Feiertage in Berlin, zwölf Feiertage in Bayern und durchschnittlich ebenfalls 25 Tage Urlaub (oder sogar 30). Da auch Modelle wie Gleitzeit und Zeitausgleich hier weitgehend unbekannt sind, verbringt man in Australien wesentlich mehr Zeit seines Lebens am Arbeitsplatz – und diese wird hoch bewertet: Lieber ein Angestellter, der zwischendurch im Internet surft und nicht effizient arbeitet, dafür aber anwesend ist, als ein Angestellter, der seinen Job zwar schnell und gut macht und dafür aber früher nach Hause geht. Im Normalfall wird auch von einem erwartet, dass man unbezahlte Überstunden macht. Laut einer Studie des Australia Institute sind das durchschnittlich sechs Stunden pro Woche. Weiters heißt es in der Studie, dass 50% der Befragten ihren Jahresurlaub nicht oder nur teilweise in Anspruch nehmen. Jeder fünfte Angestellte verzichtet auf seine Mittagspause. Als Gründe hierfür nennen viele Australier, dass sie sich direkt oder indirekt vom Chef unter Druck gesetzt fühlen oder Angst davor haben, die Arbeitsstelle zu verlieren.

Australische Auswanderer
Genau aus diesen Gründen zieht es auch einige Australier ins Ausland: Carly Hulls, die nach Wien ausgewandert ist, gefällt an Österreich unter anderem die Work-Life-Balance besonders gut. Sie habe hier gelernt, alles etwas ruhiger anzugehen und ihre Wochenenden und ihre Freizeit mehr zu schätzen. Auch die Familie Binning, die nach Dänemark ausgewandert ist, weiß die »gesunde Arbeitskultur, in der auch Platz für ein Leben außerhalb der Arbeit ist« sehr zu schätzen. Auch sie hätten sich in Australien nicht getraut, den vollen Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen, aus Angst den Job zu verlieren oder der Karriere zu schaden. Ähnlich Positives hatte auch eine Freundin von mir zu berichten, die als Australierin zwei Jahre in Dänemark gelebt und gearbeitet hat.

Fazit: Nur weil Australien immer wieder zur lebenswertesten Nation der Welt gekürt wird, heißt das noch lange nicht, dass jeder Auswanderer hier findet, was er sucht. Die Nähe zum Meer und das Leben in einem Land, in dem alle ziemlich locker drauf sind, ist für viele der Traum schlechthin. Ob es den Preis tatsächlich wert ist, den man dafür bezahlt, muss aber jeder für sich entscheiden. Denn wer Lebensqualität in erster Linie mit einer gesunden Work-Life-Balance gleichsetzt, für den ist Australien vielleicht dann doch nicht das Richtige.

No worries!

FOTO: NICK DH.B. (FLICKR)
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Eingestellt von : Nina Fischer
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