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Australien und der Rassismus

Australien ist, wie beispielsweise die USA und Kanada, ein Einwanderungsland. Die relativ kurze Geschichte ist jedoch eine völlig andere. Als der letzte unentdeckte Kontinent erobert war und Anfang des 20. Jahrhundert seine Unabhängigkeit erlangte, hatten die Menschen, die hier lebten, alles andere im Sinn, als ein multikulturelles Einwanderungsland zu werden. Jahrzehnte lang redete man vom »weißen Australien«, das geschützt werden sollte von »fremden« Einflüssen, namentlich den Ureinwohnern und den Asiaten. Dies war nicht nur eine generelle Gesinnung, sondern fest in den australischen Gesetzen verankert. Rassismus gegen all jene Menschen, die nicht weiß waren und/oder nicht aus Europa kamen, waren genauso an der Tagesordnung, wie die Vertreibung und Versklavung der Ureinwohner Australiens. Ein Umdenken fand erst nach der Zeit des Zweiten Weltkriegs statt. Mit dem Racial Discrimination Act von 1973 endete die Rassendiskriminierung in Australien offiziell.

Diese Fakten und die Tatsache, dass Australier nicht viel von Vergangenheitsbewältigung halten und ihre Vergangenheit deshalb weitgehend unaufgearbeitet bleibt, macht die Geschichte ja genau so problematisch. In Australien schaut man nicht gerne zurück. Zu lästig sind Erinnerungen an die Verbrechen gegen die Menschheit, die hier bis in die frühen 70er Jahre an den Ureinwohnern begangen wurden. »Das waren schließlich nicht wir, das waren die Europäer – also eigentlich wart das ja ihr!« So oder ähnlich grenzen sich die Menschen von ihrer eigenen Vergangenheit ab. Man schaut nach vorn und lässt die Geschichte lieber mal hinter sich.

In Australien wird ständig das Image aufpoliert, dass in diesem Land jeder gleich ist, jeder die gleiche Chance hat und jeder willkommen ist. Klingt ja auch irgendwie logisch, wenn man bedenkt, dass die Population hauptsächlich aus Einwanderern oder Abstämmigen von Einwandererfamilien besteht. Vielleicht kann man Australien aber auch genau deshalb als rassistisches Land bezeichnen. Denn wo sind die gemeinsamen Wurzeln in einem Land, in dem es keine Vergangenheit gibt bzw. in der man das kleine bisschen an Geschichte, das man besitzt, am liebsten vergisst oder tot schweigt?

Im Grunde genommen sehe ich das so: Australien mag vielleicht von der Gesetzeslage her heute ein offenes Einwanderungsland sein, die soziale Stimmung ist jedoch eine andere. Rassismus existiert hier, auch wenn das viele gerne leugnen. Und wenn man es schon nicht offen zugeben kann, dann packt man es mal schön in einen Witz und überspielt das ganze mit Humor. Jeder der sich dann angegriffen fühlt, gilt als humorlos. Nur allzu oft liest man in den Zeitungen auch über diskriminierende Übergriffe von »weißen« Australiern auf Andersfarbige oder sogar Touristen. Dafür gäbe es genug Beispiele, die ich hier auflisten könnte. Der bekannteste gewalttätige Zwischenfalls waren wohl die Cronulla Riots.

Blinder Hass, Alkohol und Gewaltbereitschaft, sowie eine Hetze in den Medien (die in Australien sehr viel Einfluss haben), führte dazu, dass eine Demonstration von 5.000 »weißen« Australiern am 11. Dezember 2005 in einem Vorort von Sydney eine Eigendynamik entwickelte, mit der die Polizei heillos überfordert war. Die rassistisch motivierten Unruhen gegen libanesische Bevölkerungsgruppen begannen mit Hassparolen und endeten mit Massenprügeleien, 26 Verletzen, 16 Verhaftungen und zahllosen Sachbeschädigungen. In den darauf folgenden Tagen griff das Feuer der Unruhen auch auf andere Vororte über und gleichzeitig mobilisierten sich Gruppen von libanesisch-stämmigen Zuwanderern, die einen Rachefeldzug starteten. Auf der ganzen Welt war man geschockt über die Unruhen in Australien – einem als offen und herzlich geltenden Einwanderungsland.

Vergleicht man beispielsweise Österreich und Australien, dann besteht in meinen Augen ein wesentlicher Unterschied darin, dass wir uns des Rassismus eher bewusst sind. Würde mich ein Australier fragen, ob Österreich ein rassistisches Land ist, dann würde ich ja sagen (so Leid es mir tut). Gerade in unserer Politik spiegelt sich das sehr unverblümt wider. Frage ich aber einen Australier, ob Australien ein rassistisches Land ist, dann würde dieser nein sagen. Politik und Gesetzeslage sind meines Erachtens weniger »rassistisch motiviert« als in Österreich – mit Ausnahme der Asylpolitik. Die persönliche Einstellung der (weißen) australischen Bevölkerung ist jedoch wieder eine ganz andere Geschichte. Da diese Art des »offen Zugeben« hier nur schlecht möglich ist, wird Rassismus von den meisten in Humor verpackt und somit gesellschaftsfähig gemacht. Es war also auch zu erwarten, dass viele Aussies über die Aussagen des britischen Komikers John Oliver, über die man vergangene Woche in der Zeitung lesen konnte, gar nicht glücklich waren: Der Artikel mit dem Titel »Australien fühlt sich sehr wohl mit dem Rassismus« handelt vom wahren Kern, der in rassistisch motiviertem Humor steckt und den so viele Australier gerne leugnen. Link zum Artikel

No worries!

FOTO LINKS: KATE ANDREWS (FLICKR) / FOTO RECHTS: WARREN HUDSON (WIKIPEDIA)

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