Über dich und deine Erlebnisse:
Woher kommst du, wie alt bist du und was machst du in Australien? Wie lange bist du schon hier?
Ich bin Anne aus Deutschland, 26 Jahre alt und arbeite auf Stundenbasis für eine Universität in Sydney als wissenschaftliche Mitarbeiterin und leite dort außerdem mein eigenes kleines Pilotprojekt (unbezahlt natürlich) im Bereich der Gesundheitsförderung. In Australien bin ich nun seit knapp zehn Monaten und fliege in ein paar Tagen zurück. Eigentlich bin ich mit der Hoffnung nach Australien gekommen, hier auch zu bleiben – es war »Auswandern auf Probe«.
Warum genau Australien?
Ich hab mich schon als Kind durch TV-Reportagen von der Einzigartigkeit Australiens hinreißen lassen. Die Koalas und Kängurus, die freundlichen Menschen, die immer scheinende Sonne und das Surfen – das zog mich damals schon an. Seit ich in der 5. Klasse meinen Aufsatz über meinen Wunschurlaub darüber verfasste, stand es ganz oben auf meiner Möchte-ich-mal-hin-wenn-ich-groß-bin-Liste. Nach dem Abi hab ich mich dann doch erst mal für die »sicherere Variante« entschieden und bin mit einer Agentur für ein Jahr in die USA. Nach dem Studium war dann Australien dran. Durchweg hab ich Leute kennengelernt, die schon hier waren, allerdings nur auf Urlaub oder zum Work & Travel. Sie alle schwärmten im Übermaß davon und ich habe nicht ein einziges Mal etwas Negatives gehört, was meine Erwartungen an mein Traumland ins Unermessliche steigen ließ. Im Nachhinein glaube ich, dass genau das das größte Problem war – meine Erwartungen waren viel zu hoch. Andererseits musste ich mich wohl selbst vom Gegenteil überzeugen, sonst hätte ich es mir ein Leben lang vorgehalten …
Erinnerst du dich an deinen ersten Tag? Was hast du erlebt?
Schon beim Landeanflug und dem Blick über die Stadt war ich völlig aus dem Häuschen (trotz des Regens)! Es regnete wirklich in Strömen und ich weiß noch, dass ich total begeistert war, dass ich hier niemanden rauchen sah bzw. roch. Und die ersten Australier, die wir im Zug trafen, waren super nett und haben uns geholfen, den Weg zu finden. Heute fragen mich Leute nach dem Weg – wie sich die Zeiten ändern!
Was war dein größter Kulturschock?
Dass ich kaum »richtige« Australier sah – zumindest nicht so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Ich hätte nie gedacht, dass Australier die Sonne meiden (was mit ein bisschen Menschenverstand auch Sinn macht). Außerdem hätte ich nicht erwartet, dass hier sooo viele Menschen mit asiatischem Hintergrund leben. Teilweise sieht man nach dem Aussteigen an gewissen Bahnstationen nur noch Schilder auf Koreanisch. An das zu Beginn sehr unverständliche Englisch musste ich mich auch monatelang gewöhnen. Die Preise und der freizügige Kleidungsstil zählen jetzt nicht primär zur Kultur, aber waren trotzdem ein Schock für mich.
Hast du manchmal Heimweh? Was fehlt dir?
Heimweh würde ich es nicht nennen. Ich weiß viele Dinge durch den Abstand einfach mehr zu schätzen. Am meisten fehlen mir gute Konversationen, echte Freunde, meine Mama und Ehrlichkeit. Damit eingeschlossen ist auch die Sprache, denn auch in 50 Jahren werde ich nicht akzentfrei ein 100% perfektes Englisch sprechen. Das nervt mich mittlerweile am meisten. Außerdem kann ich es kaum abwarten, wieder eine eigene Wohnung zu haben, die hier auf Grund der Mietpreise leider nicht im Budget lag. Das Essen hat mir am Anfang sehr gefehlt, aber man probiert dadurch auch mehr Neues aus oder backt sich sein Vollkornbrot selbst.
Erzähl mir von Australien:
Wie würdest du Australien mit ein paar wenigen Worten beschreiben?
Wunderwunderschön, sonnig, entspannt, ein großartiger Lifestyle und eine sehr große Vielfalt an Kulturen. Leider muss ich aber auch sagen, dass es gerade in Sydney sehr oberflächlich zugeht und viel Wert auf materielle Dinge gelegt wird, um das »Show and Shine« Image aufrechtzuerhalten und mit Geld meiner Meinung nach extrem verschwenderisch umgegangen wird.
Was gefällt dir besonders gut an Australien?
Mir gefällt hier immer noch sehr viel gut und ich finde, dass die Australier einiges richtig gemacht haben. Aber besonders gut gefällt mir wohl die entspannte Arbeitsweise! In Deutschland sind 120% nicht gut genug, hier reichen 70%. Burnout ist ein Fremdwort, denn die Welt geht nicht unter, weil man dies und das jetzt zwei Minuten später fertig hat. Ich finde die Menschen hier deutlich weniger neidisch als in Deutschland, die Erfahrung habe ich gemacht und weiß das so zu schätzen! Die Leute gönnen dem anderen etwas, weil sie selbst alles haben und (meist) glücklich sind. Sie sind deutlich ausgeglichener als in Deutschland und dadurch auch wesentlich netter im alltäglichen Leben. Großartig finde ich hier auch die nicht vorhandene Gehässigkeit, wie man sie in Deutschland sehr oft erlebt. Hier wird man nicht schief angeschaut, von niemandem, NIE! Es interessiert die Leute einfach nicht, was andere tun und lassen. Das werde ich sehr vermissen! Was ich gerade in Sydney mag ist der Lifestyle. Wenn man hier einen vernünftigen Job hat, kann man sich einfach so viel mehr leisten als in Deutschland. Klar sind die Lebenshaltungskosten deutlich höher, trotzdem finde ich, dass die australische Regierung hier eindeutig mehr für die Menschen macht (z.B. kostenlose BBQ Stationen in Parks oder am Strand, kostenlose Sportprogramme, rauchfreie Zonen überall). Ich als Fan der Gesundheit bin fasziniert von dem riesen Vorsprung gegenüber Deutschland auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung.
An was wirst du dich nie gewöhnen?
Die Mietpreise in Sydney, die Oberflächlichkeit, die Unzuverlässigkeit, dass hier für alles ein Vermögen berechnet wird, der freizügige Kleidungsstil und die teilweise unverschämte Inkompetenz von allerlei Angestellten.
Wo befindet sich in deinen Augen der schönste Ort in Australien?
Puh, das ist schwer! Wenn ich Ort im Sinne von dort Leben betrachte, wäre das ganz klar Sydney. Meinen schönsten Moment hatte ich zum einen am Great Barrier Reef beim Tauchen mit Schildkröten und zum anderen bei einem Fallschirmsprung am Mission Beach mit Blick auf ganz viele Trauminseln. Diese Momente sind unter den Top 5 meines Lebens.
Würde deine Wahl wieder auf Australien fallen?
Ich finde Australien und gerade Sydney nach wie vor traumhaft schön, deshalb kann ich niemals nie sagen. Wer weiß, was die Zukunft bringt?
Wie australisch bist du bereits?
Sprichst du jeden mit »how're you doing« an?
Ich kann mich beim besten Willen nicht an den australischen Slang gewöhnen. Aus Freundlichkeit und um ein Gespräch zu beginnen, ist es dennoch der beste Einstieg, dann aber in »ordentlichem« Englisch. Traurig finde ich allerdings, dass die Antwort auf diese Frage eh niemanden interessiert, denn es ist schlichtweg eine Floskel ohne Bedeutung.
Isst du Vegemite zum Frühstück?
Baahh! Nee! Oder trinkt ihr Maggi zum Frühstück?
Wie hast du die letzten Weihnachten verbracht?
Da war ich noch in Deutschland, also so, wie man es dort eben verbringt – Zeit mit der Familie, gutes Essen und leckeren Glühwein. Ich freue mich riesig, pünktlich zu Weihnachten wieder zu Hause zu sein!
Für die Aussies ist ein Strand ohne Wellen kein Strand. Was bevorzugst du?
Ganz klar Wellen, aber am liebsten ohne die vielen Menschen und gefährlichen Tiere.
Besitzt du ein Paar Ugg Boots?
Nö. Aber dafür liebe ich Flipflops!
No worries!
FOTO: NINA FISCHER
Kulturschock: Da möchte man richtige Australier sehen und dann laufen da sooo viele Asiaten rum! Asiaten sind demnach die falschen Australier?!
AntwortenLöschenHallo Christian,
AntwortenLöschendanke für deinen Kommentar! Wenn man aber nur das kennt, was Australien bzw. die Tourismusbranche einem nach Außen hin präsentiert, sprich »weiße« Australier, dann kann man doch durchaus überrascht sein, dass in Sydney so viele Asiaten leben. Ich muss sagen, ich bin auch überrascht, wie multikulturell Sydney ist!
Liebe Grüße,
Nina