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Der Nanny-Staat

Australien ist ein Nanny-Staat. Das dürfte sogar den Australiern klar sein, spätestens wenn sie selber mal im Ausland waren. Ich bezweifle, dass in irgendeinem anderen Land der Welt jede Kleinigkeit so penibel bis ins Detail geregelt ist. Die Gesetze werden von den Australiern zum Großteil brav eingehalten bzw. im Falle eines Verstoßes wird man auch wirklich bestraft.

Es gibt so dumme Regeln hier ... wie dass man an gewissen Parkplätzen nur rückwärts einparken darf. Wieso? Das weiß keiner. Wahrscheinlich damit der Staat etwas mehr Geld verdient, falls jemand hin und wieder das Schild übersieht. Australien ist stolz auf seine Demokratie, aber man wird bestraft, wenn man nicht wählen geht. In einem Land, in dem Fahrradfahren absolut unbeliebt ist, macht man es noch unbeliebter, indem man die Fahrradhelm-Pflicht einführt. In als »gefährlich« eingestuften Gegenden (Kings Cross) darf nach Mitternacht kein harter Alkohol mehr ausgeschenkt werden. Hunde sind in Cafés, Restaurants und öffentlichen Verkehrsmitteln verboten, da dies die Hygiene beeinträchtigen könnte. Handys dürfen während dem Autofahren von keinem Körperteil berührt werden (man zahlt also Strafe, wenn es z.B. im Schoß liegt oder man kurz auf die digitale Uhr schaut). Wenn man öffentlich flucht – und ein Polizist hört’s zufällig – wird man bestraft. Alkohol darf weder an öffentlichen Plätzen, noch in Parks oder am Strand getrunken werden. Silvesterkracher sind übrigens ebenfalls strikt verboten. Einer der neuesten Aufreger: In einer Schule in Sydney dürfen die Kinder auf dem Schulgelände keine Handstände, Räder oder Purzelbäume mehr machen – zu gefährlich!

Als ich das erste Mal als Backpacker durch Australien gereist bin, sind mir diese vielen Regeln bereits aufgefallen. Meine Freunde und ich haben deshalb scherzhaft Australien in »das Land in dem man keinen Spaß haben darf« umgetauft. Aber wie ist es nun wirklich, in einem Staat zu leben, wo alles kontrolliert wird? Wo es für jeden Fall der Fälle eine Regelung gibt? Wo man selber eigentlich nicht mehr denken muss, sondern nur brav das tun, was einem vorgesagt wird? Verblöden da die Leute nicht irgendwann? Fehlt vielen Australiern deshalb vielleicht ein gewisses Maß an gesundem Menschenverstand? Weil eigentlich ist es ja so: Der Staat verhält sich gegenüber seinen Bürgern wie eine Mutter (oder Nanny) gegenüber dem Kind. Er sagt ihnen, was richtig und was falsch ist, was gut und was schlecht ist. Selber ausprobieren, Erfahrungen sammeln und daraus lernen, will man unterbinden. So blieb auch die Diskussion über Schuld oder Unschuld der australischen Radiomoderatoren, deren Scherzanruf zu einer Tragödie geführt hat, auffällig lange an jenem Punkt stecken, dass diese ja eigentlich kein Gesetz gebrochen haben. Eine moralische oder gesellschaftliche Grenze müsste so gesehen also auch zuerst per Gesetz geregelt werden.

Ich habe oft das Gefühl, viele Australier sind unglücklich mit diesem Zustand. Sie wollen nicht immer überall kontrolliert werden, sondern lieber etwas mehr persönliche Freiheit genießen. Diese Freiheit gibt einem nämlich auch die Chance, selber (die richtigen) Entscheidungen treffen zu können. Trotzdem geht in Australien keiner auf die Straße, um gegen den Nanny-Staat zu protestieren. Keiner streikt und blockiert die Innenstadt um für ein funktionierendes öffentliches Verkehrsnetz zu kämpfen. Man nimmt es – wie so vieles hier – einfach achselzuckend hin. Seltsamerweise vergleichen viele Verfechter des Nanny-Staats sich selber mit Ländern wie Argentinien, Mexico und Marokko: »In Australien funktioniert alles und der Staat gibt uns ein gewisses Maß an Sicherheit – dafür haben wir etwas weniger persönliche Freiheit. Hättet ihr es lieber andersrum?« Ich sage dazu nur: Für einen realistischeren Vergleich sollte vielleicht lieber mal nach Europa geschaut werden.

Interessanterweise habe ich vor einer Weile genau zu diesem Thema einen Artikel im österreichischen Nachrichtenmagazin Profil gelesen. Die Coverstory beschäftigte sich mit der zunehmenden Lust am Verbot: »Die Kinder der Generation, die sich von überkommenen Regeln befreite, wünschen sich nichts mehr als Gesetze, die den Alltag des Einzelnen kaputtreglementieren. Warum bloß?« Wenn man beide Seiten kennen gelernt hat und in beiden Welten gelebt hat, ja dann fragt man sich doch wirklich: Warum bloß? Will ich wirklich in einer Gesellschaft leben, in der andere für mich denken? In der der Staat die Kindererziehung übernimmt? In der gesunder Menschenverstand immer mehr zum Luxusgut wird? Laut Profil ist es die europäische Gesellschaft selbst, die immer mehr nach Verboten und Sanktionen schreit. Weiters schreibt der Verfasser des Artikels, dass die Gesellschaft dadurch sehr wohl besser wird und beispielsweise Rauchverbote, Abschreckungskampagnen und harte Sanktionen gegen Raucher wie sie in Australien gang und gäbe sind – man könnte diese fast schon als Diskriminierung bezeichnen – tatsächlich nützen: Der Zigarettenkonsum nimmt ab. Gleichzeitig warnen Philosophen aber vor der Gefahr der Infantilisierung, Repression und der Unfähigkeit Leidenschaften auszuleben. Zusammengefasst kann also gesagt werden, dass Regeln und Gesetze sehr wohl zur Weltverbesserung beitragen, aber sie fordern auch ihre Opfer: Individuelle Freiheit, Vernunft und Debattenkultur gehen verloren.

Zum Abschluss noch ein Link zu einer gelungenen Sammlung an Verbotsschilder, Warnhinweisen und dergleichen in ganz Australien. Viel Spaß beim durchstöbern!

No worries!

5 Kommentare:

  1. Ein kleines Kind, darf nicht neben einem unbekannten Erwachsenen im Flugzeug sitzen, er koennte ja pädophil sein. Ueber im Innenraum Video uebwachte oeffentliche Toiletten habe ich schon geschrieben. Das Problem ist, dass der durschnittliche Australier im Alter von 14 Jahren geistig stehen geblieben ist. Die Schulbildung kann nicht mehr hergeben. Die Presse ist staatlich gleichgeschaltet und minderster probaganda Qualitaet. Die Politiker haben zu allem und jedem Thema eine Meinung- doch nur oberflaechlich. Australien ist ein Nanny State mit strengen Eltern die Ihre Kinder mit drakonischen Strafen, erziehen wollen.
    Neben Demokratie und Komunismus, exestiert ein weiteres System. Das des australischen kapitalistischen Elternstaates.
    Schoene Gruesse
    Tom

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  2. Bei Deinen Schildern wird noch eines von WestEnd Draft aus Adelaide gezeigt. Der Preis von $38/30 Dosen ist vom letzten Jahr. Seit Einfuehrung der Carbontax, ist selbst im Angebot der Block nicht unter $45 zu haben. Das trifft auch auf andere Preise wie Lebensmittel zu. Leider gibt es in Suedaustralien keinen ALDI und somit sind die Lebenshaltungskosten rund 40% teurer.
    Dass Australien zu den teuersten Laendern dieser Welt gehoert, sollte man ruhig schreiben duerfen. Dass die Einkommen bei weitem nicht so hoch sind, kann sich jeder denken. Auch hier nimmt die Zahl derer die arbeiten und auf staatliche Hilfe angewiesen sind, immer mehr zu.
    Uebrigens- jeder zweite, der hier in Miete wohnt, bekommt schon Mietzuschuss. Verstaendlich bei woechentlichen mieten um die $300 fuer ein Wohnklo. Da bleibt manchen Familien am Ende des Geldes noch viel Monat uebrig.
    Was die Raucher anbetrifft- so fehlt nur noch der Raucherstern an der Brust.
    Ich woohne seit 4 Jahren hier in Australien, aber ich habe noch nie so viele Idioten gesehen die geistig so zurueck geblieben sind.
    Die Nachrichten haben den Informationsgehalt vom "Goldenen Blatt" oder "Frau mit Herz". Also unterster Schublade.
    Hier, fuer die ganz mutigen- ein Preisvergleich zwischen Deutschland und Australien.
    Wer behauptet, die Einkommen hier waeren hoher als in D, wird sich wundern.
    http://www.numbeo.com/cost-of-living/compare_countries_result.jsp?country1=Germany&country2=Australia

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  3. Hallo Nina. Ich stimme Dir zu. Teilweise. Einerseits ist wirklich alles und jedes geregelt, aber ... exekutiert wird wohl doch nur die Massen zu Hause sind. Hier am Land lebt es sich doch ziemlich ungestoert. Da hat man mit dem Ueberleben, mit dem Kampf mit/gegen die Natur (Trockenheit, Ueberschwemmung, Buschfeuer...) genug zu tun. Kleines Beispiel: Hausbaugenehmigung. Problemlos erteilt. Natuerlich mit Auflagen - die hat aber kein Mensch kontrolliert. Eigentlich duerfte ich hier noch gar nicht eingezogen sein, da ich noch keinen Wassertank habe. Juckt aber niemanden. So koennte ich einiges anfuehren. Ein freies, selbstbestimmtes Leben ist auf dem Lande sicher moeglich. Aber es ist ein verdammt hartes Leben.

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  4. Hallo Clare,

    ja, vielleicht ist das Leben auf dem Lande etwas anders. Natürlich wird auch in der Stadt nicht jedem Vergehen nachgegangen, aber wenn die Exekutive was sieht, dann kann man auch sicher sein, dass man bestraft wird. Vor allem was Auto fahren, parken und öffentliche Verkehrsmittel angeht, sind sie da schon ziemlich streng hier. Aber einige Dinge sind sicher auch nur leere Drohungen bzw. einfach nur zur rechtlichen Absicherung festgelegt.

    Lg aus Sydney!

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  5. Hallo Tom,

    danke für den Link, der ist echt ganz interessant! Vergleicht man aber z.B. Zürich mit Sydney dann kommt man schon eher zu einer Annäherung der Zahlen. In dem Fall könnte man wohl sagen, dass man Australien eher mit dem Leben in der Schweiz vergleichen kann... teuer ist es hier auf jeden Fall, das kann man nicht bestreiten - vor allem was Wohnen und Lebenserhaltungskosten angeht.

    Bezüglich den Australischen Nachrichten stimme ich dir teilweise zu. Es gibt wirklich einige Nachrichtenblätter auf dem untersten Niveau hier - die leider von sehr vielen gelesen werden. Über die Channel 7 News muss ich auch regelmäßig lachen... man darf das ganze dann halt nicht so ernst sehen, auch wenn es einen manchmal furchtbar aufregt. Ich kenne das ;-)

    Lg aus Sydney!

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